Geschichte des Quartiervereins Kempten

Entstehung und wichtige Etappen

Die Entstehung des Quartiervereins Kempten geht zurück in die 1960er Jahre des letzten Jahrhunderts. In den folgenden Abschitten werden verschiedene wichtige Etappen der Vereinsgeschichte erläutert.

Gründungsversammlung

Im November 1966 trafen sich im Hotel Ochsen 14 angesehene Männer zur Gründung des ersten Wetziker Quartiervereins, dem «Quartierverein Kempten»: Albert Willi, Erwin Nützi, Ernst Dürst, Rudolf Hofmann, Rolf Schneider, Max Hanhart, Kurt König, Heinrich Bosshard, Josef Meier, Walter Weber, Alfred Gubler, Robert Elmer, Johann Wildhaber und Albin Rüegg.

Der Tagespräsident Rudolf Hofmann erläuterte den Zweck: «Die politischen Parteien verfolgen weitgehend andere Ziele als die Quartiervereine. Der Zusammenhang zwischen den Parteien und Dorfteilen ist lose. Der Einzelne ist schwach, ein Quartierverein kann ihn unterstützen, wenn es zum Beispiel um Eingaben bei den Behörden geht.»

Politisch aktiver Vorstand

Die Gründung des Quartiervereins Kempten erfolgte einstimmig. Der in der Gesellschaft angesehende und gut vernetzte Altpolitiker Rudolf Hofmann (Alt Kantons- und Gemeinderat der PdA) übernahm das Präsidium. Der wort- und schriftgewandte Rolf Schneider das Aktuariat und wirkte somit als Protokollführer des Vereins. Im ersten Vorstand wirkten mit:

  • Rudolf Hofmann, Präsident
  • Heinrich Bosshard, Vizepräsident
  • Rolf Schneider, Aktuar
  • Walter Weber, Kassier
  • Marcel Widmer, Josef Meier, Albert Willi als Beisitzer

Ein persönlicher Bezug zur Politik war in dieser Zeit wichtig, um für ein Quartier bei den Behörden entsprechendes Gehör zu erhalten und effektiv etwas bewegen zu können.

Vereinsvermögen von Privatpersonen

Da die Kasse leer war, schlug Robert Elmer vor, nach altem Brauch dem Kassier einen freiwilligen Gründungsbeitrag zu überreichen. Der neu gewählte Kassier konnte schliesslich 260 Franken in die Kasse legen.

Als erste Geschäfte wurden kurz folgende Kemptner Probleme besprochen:

  • Panzer- und Lastwagenverkehr auf der Tösstalstrasse
  • Strassenführung in der Leisihalde
  • Kehrichtabfuhrbeiträge in Zusammenhang mit der Erweiterung der KEZO

Der AMP Hinwil hatte damals noch keine Panzerpiste. Auf der noch trottoirlosen Tösstalstrasse wurden jeden Morgen drei bis vier Panzer geprüft. Sie donnerten übers Zelgli zur Tösstalstrasse bis zum Rigiblick. Dort genehmigten sich die Panzerprüfer ihren wohlverdienten Znüni. Um 23:30 Uhr ging die denkwürdige Gründungsversammlung zu Ende.

Oberlandstadt Wetzikon

Die sechziger Jahre im letzten Jahrhundert waren geprägt von einem erstaunlichen Fortschrittsglauben. Alles schien machbar, die Kehrseite der Expansion vermochte niemand recht zu erkennen. Eine ausschliesslich aus Baufachleuten zusammengesetzte Planungskommission überbot sich in visionären Vorschlägen.

 

Modell des Ochsenplatzes von 1968

Man sprach allen Ernstes von der Oberlandstadt Wetzikon mit über 200'000 Einwohnern, Verkehrsknotenpunkt Ochsen mit Über- und Unterführungen. Die Pfäffikerstrasse sollte als Autobahn auf vier Spuren verbreitert werden, die Bahnhofstrasse nach Oberwetzikon wurde mit sechs Spuren bedacht.

In der Festschrift «25 Jahre Quartierverein Kempten» von 1992 wurde publiziert:

Wetziker Grossstadtdenken in den 1960er Jahren

Um den Ochsenplatz herum sah man bereits Wolkenkratzer, die das Eingangstor zur Oberlandstadt markierten. Eine durchgehende Ladenstrasse von Kempten bis Unterwetzikon erschien in Plänen und Skizzen. Massgebende Wetziker Politiker sprachen mit vor Begeisterung erregter Stimme von Wetzikons glanzvoller Zukunft.

Den alt eingesessenen Einwohnern wurde der Kragen zu eng, wenn sie an die Umkrempelung ihrer engsten Heimat dachten. Ein Unbehagen, das immer beängstigender wurde lag in der Luft. Der Einzelne war nicht mehr in der Lage, Gegensteuer in Richtung einer massvolleren Entwicklung zu geben. Der Zusammenschluss im Quartierverein war der Ausweg.

Nach der Vereinsgründung las man kritische Bemerkungen in der Tageszeitung. Die Vorstands-Mitglieder wurden als «Sonderbündler» bezeichnet und argwöhnisch beobachtet. Eingaben an Behörden wurden – wenn überhaupt – recht überheblich beantwortet. Dieser unerfreuliche Stil hielt bis in die 1970er Jahre an.  Mit der Zeit aber merkten auch die Politiker, dass der Quartierverein Kempten – wenn nötig – in konstruktiver Opposition stand und stets Hand bot für vernünftige Lösungen in wichtigen Fragen.

Teilbauordnungen und Motionen

Im Jahr 1968 nahm die Gemeindeversammlung die zwei nötigen Teilbauordnungen an. Damit war der Weg frei, um Kempten in vier Teile zu zerschneiden. Den alteingesessenen Einwohnern wurde der Kragen zu eng. Für drei Motionen – heute wären dies Initiativen – sammelte der Quartierverein gegen 740 Unterschriften.

Die folgende Gemeindeversammlung stimmte mit grossem Mehr allen Motionen zu, womit das «Superprojekt» begraben war.

Opposition gegen Oberlandstadt

An der Gemeindeversammlung vom 23. September 1968 wurden die Teilbauordnungen «Zentrum Wetzikon» und «Obere Bahnhofstrasse» mit sechs richtungsgetrennten Fahrspuren gutgeheissen.

Der Quartierverein hätte gerne vorgängig die Unterlagen zu diesem Geschäft unabhängigen Fachleuten unterbreitet. Der Gemeinderat Wetzikon weigerte sich in seinem Schreiben vom 17. August 1968, dem Quartierverein die Planvorlagen auszuhändigen.

Neben dem Quartierverein Kempten gab es vor der Gemeindeversammlung auch andere kritische Stimmen. So schrieb der Redaktor E. A. Lang in seinem Artikel vom 28. August 1968 im Zürcher Oberländer: Bei näherer Betrachtung des Projektes «Obere Bahnhofstrasse» muss man aufhorchen. Man gewinnt den Eindruck, dass hinter dem Projekt ausschliesslich Verkehrsingenieure stehen, welche die Verkehrsprobleme rein technisch gelöst haben. Die Stadt von heute und morgen ist jedoch nicht eine rein verkehrstechnische Angelegenheit, sondern Lebensraum von Menschen. Das Projekt stellt eine perfekte Lösung für Autos dar, es entsteht eine Strasse für den Verkehr. In der Gemeindevorlage wird aber eindeutig eine Einkaufsstrasse von regionaler Bedeutung angestrebt. Und am Ende des Artikels schrieb er: Es stellt sich also die Frage, ob eine Entscheidung in dieser Sache nicht noch verschoben werden kann und ob eventuell vorgängig kompetente Planer, Soziologen und Wirtschaftsfachleute zur Beratung zugezogen werden sollten. Wir müssen, um wieder menschenfreundliche Städte zu bauen, das reine Verkehrsdenken aufzugeben und vermehrt an die menschliche Gestaltung unserer Umwelt denken. Nur so erreichen wir eine Lösung, in der wir und unserer Nachkommen leben können. In Wetzikon sind noch alle Möglichkeiten offen!

Nach der Genehmigung des Projektes durch die Gemeindeversammlung blieb dem Quartierverein kein anderer Weg, als mit grossem Aufwand drei Motionen auszuarbeiten. Diese wurden im Juli 1970 mit 740 Unterschriften eingereicht. Im Vorwort war u.a. zu lesen: Der Quartierverein Kempten ist besorgt über die drohende Vierteilung des Dorfteils Kempten durch die Hauptverkehrsstrasse Pfäffikon-Hinwil mit vier Fahrspuren und die vorgesehene überdimensionierte obere Bahnhofstrasse mit 50 Meter breiten Baulinien links und rechts, und – damit verbunden – die stark gehemmte Weiterentwicklung Kemptens. Wir verlangen eine Dezentralisation auf die geplante West- und Osttangente und keine Konzentration des Verkehrs auf den Ochsenplatz und auf die Bahnhofstrasse hin.

 Der Aktuar Rolf Schneider stellte die Motionen unter anderem an einer Parteiversammlung der CVP vor. Der Gemeindegeometer Emil Diepold bezeichnete die allfällige Annahme der Motionen als eine «Todsünde». Diese Todsünde geschah dann auch an der denkwürdigen Gemeindeversammlung vom 2. Oktober 1970, alle drei Motionen wurden mit überzeugendem Mehr von den anwesenden 289 Stimmbürgern angenommen. Der Redaktor E. A. Lang, der Ehemann der späteren Regierungsrätin Hedi Lang, setzte in der lokalen Zeitung «Oberländer AZ» folgende Schlagzeile: «Quartierverein Kempten – Gemeinderat Wetzikon 3:0!»

Der Präsident des Quartierverein Kempten Rudolf Hofmann sprach in seiner Begründung sehr viel vom Menschen und vom Naturschutzjahr 1970. Er erreichte mit dieser Taktik seinen Zweck und konnte das «Game» in drei Sätzen für sich verbuchen. Dagegen vermochten weder der Gemeinderat Max Honegger noch Architekt Max Egger aufzukommen, deren Appell an die Vernunft, im Gegensatz zu den emotionellen Wogen, rhetorische Spritzer blieben. Planung ist auch Politik, das ist die Lehre, die von den Planern endlich gezogen werden soll.

 Der Kommentar in der Berichterstattung im Zürcher Oberländer vom 5. Oktober 1970 lautete recht resigniert: «Die Wetziker haben am Freitag einen Entscheid gefällt, der einiges Aufsehen erregen dürfte. Mit der Zustimmung zur Initiative Hofmann haben sie nicht nur ihre eigenen Entscheide aus dem Jahr 1967 rückgängig gemacht, sondern sie desavouieren damit auch eine jahrelange Planungsarbeit von Kommission und Gemeinderat. Mehr noch, das Ziel der Initiative lässt sich kaum verwirklichen. Denn sowohl in der Angelegenheit Bahnhofstrasse wie auch des Ochsenplatzes ist letzten Endes der Kanton zuständig, und man wird sich in Zürich hüten, in Wetzikon einen Präzedenzfall zu schaffen, der andernorts die Planung ebenfalls über den Haufen werfen könnte.»

Im Moment bleibt dem Gemeinderat Wetzikon nichts anderes übrig, als den Scherbenhaufen in Zusammenarbeit mit den Initianten wieder zu einem Werk zusammenzufügen. Wenn dabei mehr als Flickwerk herausschaut, dürften beide Teile Glück gehabt haben. Jedenfalls zeichnet sich so oder so ein Kompromiss heute schon ab. Dies weil für wichtige Exponenten klar war, dass man kann die Zukunft nicht mit Lösungen aus dem Bilderbuch der Planer von 1950 bewältigen kann.

Die effektive Entwicklung in Kempten hat diese Befürchtungen nicht bestätigt!

Im Interesse von Kempten

Der Quartierverein hat sich seither oftmals mit Erfolg für die Lebensqualität und die Weiterentwicklung des Dorfteils bzw. des Quartiers Kempten eingesetzt.

20 Jahre Bundesfeier Kempten

Schon im ersten Vereinsjahr 1967 lud der Quartierverein die Bevölkerung zu einer 1. Augustfeier ein. Fleissige Mitglieder sammelten Holz für ein prächtiges Augustfeuer. Mit einem Kinder-Lampionumzug wanderte männiglich von der Tösstalstrasse zum grossen Stein im damals unbebauten Vogelsanggebiet. In den folgenden Jahren wurde die Feier mit einem kleinen Dorffest hinter dem Restaurant Schäfli erweitert, und bald entstand auch ein gemütliches Festzelt mit einem Podium für eine Musikkapelle.

Diese neue Gestaltung der Bundesfeier zog ein grosses Publikum aus der ganzen Gemeinde an, währenddem die offizielle Feier in Oberwetzikon an Teilnehmerschwund litt. Als einmal dem Zeitungsberichterstatter, Redaktor Jakob Hauser vom "Freisinnigen", ein Manuskript der kurzen Ansprache von Rolf Schneider überreicht wurde, wurde dieses zurückgewiesen mit der Bemerkung, der Artikel sei bereits geschrieben. Anderntags fand man in der Presse einen spaltenlangen Bericht vom kaum besuchten Oberwetziker Anlass, für die Kemptner Feier waren gerade drei Zeilen reserviert.

Nach der Überbauung des Vogelsangs wurde die Bundesfeier zur Sommerau verlegt, wo jeweils in der Nähe der Sauna ein mächtiger Holzstoss loderte. 1976 stand erstmals die grosse Turnhalle Wallenbach zur Verfügung. Fortan konnten auch bei Regenwetter die vielen hundert Besucher das Augustfeuer vom geschützten Festwirtschaftsplatz aus bewundern. Prominente Redner, wie Regierungsrätin Hedi Lang und die Kantonsräte Karl Schärer und Carl Bertschinger, stellten sich (vor allem gerne in Wahljahren) für die Festansprache zur Verfügung. Als Rolf Schneider die SP-Nationalrätin Hedi Lang - in ihrem Jahr als Nationalratspräsidentin - engagierte, bat er sie um eine nicht allzu «rote Ansprache». Sie meinte dazu lächelnd, sie mache aus ihrem Herzen keine Mördergrube, ein bisschen «rosarot» müsste schon erlaubt sein.

Nach zwei Jahrzehnten stellten sich Ermüdungserscheinungen ein. Praktisch immer dieselben Helferinnen und Helfer opferten sich während der Ferienzeit für das Gelingen des Festes. Mit dem Dank des Gemeindepräsidenten Ernst Weber beendete der Quartierverein Kempten mit der Bundesfeier 1986 seinen Einsatz zugunsten der ganzen Gemeinde.

Neben dieser Aufgabe bietet er seinen Mitgliedern jährliche Veranstaltungen an, beispielsweise Betriebsbesichtigungen in Kempten, naturkundliche und geschichtliche Exkursionen.

(Quelle: Wetziker Spiegel, August 2004, Rolf Schneider)